Aus dem Jenseits sind keine Posts möglich – wer löscht also das Konto, wenn man tot ist?
Wer seine Passwörter für Online-Konten und soziale Netzwerke nach einem unerwarteten Tod mit ins Jenseits nimmt, stellt Hinterbliebene vor grosse Probleme.
Angela Merkel will ihr digitales Leben wohl nicht der Nachwelt überlassen. Die deutsche Kanzlerin schloss unlängst ihr Facebook-Profil, nachdem sie als Parteivorsitzende zurückgetreten war. Alles akribisch regeln, bevor es zu spät ist – das Mantra, das Merkel über ihre gesamte politische Laufbahn begleitete.
Solche Voraussicht ist eher selten, obwohl gerade das digitale Leben frühzeitig geordnet werden muss. Wer beispielsweise unerwartet stirbt, nimmt ohne entsprechende Vorkehrungen alle Zugangsdaten mit ins Jenseits. Die meisten von uns machen sich dennoch keinerlei Gedanken, was mit ihren Profilen, Konten oder sogar ihrem baren Geld im Internet passiert. So beschert man seinen Angehörigen ein riesiges Chaos, wenn diese nicht wissen, wo der Verstorbene überhaupt überall angemeldet war. So laufen im schlimmsten Fall Abos, beispielsweise bei den Streamingdiensten Netflix oder Spotify, einfach weiter – das Geld dafür ist weiterhin fällig.
Und selbst, wenn alle Konten bekannt sind, beginnt nach dem Tod von Angehörigen ein Spiessrutenlauf. So mussten im vergangenen Jahr in Deutschland Eltern erst über mehrere Instanzen vor Gericht ziehen, um Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter zu bekommen. Der Vorsitzende Richter des Bundesgerichtshofes argumentierte, dass Tagebücher oder Briefe schliesslich diskussionslos an die Erben übergingen – warum dann also nicht digitale Inhalte?
Viel einfacher wäre das natürlich gegangen, wenn die Tochter zu Lebzeiten vorgesorgt hätte. Es ist zum Beispiel ratsam, in regelmässigen Abständen zu prüfen, welche Konten überhaupt noch benutzt werden. Sogenannte tote Konten löscht man am besten gleich. Danach machen Sie sich Gedanken, wie mit den restlichen zu verfahren ist.
Liste erstellen
Die einfachste Methode ist, eine Liste mit allen Zugangsdaten zu verfassen – idealerweise mit Benutzernamen und Passwort. Diese Liste kann bei einem Notar deponiert werden, der sie erst nach einem eventuellen Tod an die Angehörigen weitergeben darf. Wer besonders sicher gehen möchte, verschlüsselt die Datei (etwa mit der als sehr sicher geltenden Gratis-Software Veracrypt) und deponiert sie auf einem USB-Stick beim Notar. Das Passwort zur Entschlüsselung bekommt eine andere vertrauenswürdige Person im Umfeld, denn so kann keiner von beiden allein auf die Datei zugreifen. Sie können alternativ einen Passwort-Manager wie das kostenlose Keepass (keepass.info) benutzen. Diese Methode besitzt den Vorteil, dass die Software selbst starke Passwörter generiert. Der Handel bietet zudem spezielle USB-Sticks mit integriertem Passwort-Manager, die sich für diesen Zweck bestens eignen.
Ganz wichtig: Wer später den Zugriff erhalten soll, sollte ausdrücklich im Testament stehen. Das kann entweder öffentlich beurkundet oder unkompliziert handschriftlich (aber zwingend mit Datum und Unterschrift) erfolgen.
Vorteilhaft ist es auch, sich frühzeitig bei den jeweiligen Internetdiensten zu erkundigen, welche Möglichkeiten zur digitalen Nachlassplanung sie bieten.
Mailkonten im Fokus
Wer das alles nicht zu Lebzeiten geregelt hat, stellt seine Angehörigen vor grosse Probleme. Doch aussichtslos ist die Lage nicht. Wenn keinerlei Infos zur Verfügung stehen, hilft oft ein Blick in die Mails weiter. Die grossen Mailanbieter gewähren den Angehörigen zumeist unbürokratisch einen Zugang. Voraussetzung ist die Vorlage eines Toten- oder Erbscheins.
Haben Sie erst einmal den Zugriff auf diese Konten, suchen Sie nach entsprechenden Informationen beziehungsweise Registrationsmails über bestehende Abonnemente. Auch allfällige Mahnungen geben wichtige Hinweise – prüfen Sie diese und nehmen Sie Kontakt mit dem Absender auf.
Kündigen Sie dann alle Abos, denn diese müssen sonst auch nach dem Tod weiterbezahlt werden und gehen dann vom Erbe ab. Ebenfalls erste Priorität hat die Löschung von Konten bei Online-Versandhändlern, denn diese könnten gehackt und von Kriminellen genutzt werden.
Möglicherweise können enge Freunde der Verstorbenen weitere Infos über deren Onlineverhalten geben. Wer zum Beispiel gerne ins Kino geht, besitzt eventuell eine Kinokarte (wie Kitag, Pathé oder Arena) samt dazugehörigem Onlineguthaben und jährlich fälliger Kartengebühr. Auch die Suche nach eventuellen Wettkonten im Ausland sowie Bezahldiensten wie Apple Pay, Samsung Pay oder Twint mit Guthaben kann sich lohnen. Last but not least sollten auch sämtliche sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter möglichst rasch geschlossen werden.
Achtung Nachlassverwalter!
Das alles ist sehr zeitintensiv und überfordert Angehörige schnell einmal. Kein Wunder, haben diese in dieser ohnehin meist schon schwierigen Situation genug um die Ohren. Der eine oder andere mag dann auf die Idee kommen, einen kommerziellen digitalen Nachlassverwalter einzuschalten. Doch Vorsicht: Auf diesem Terrain tummeln sich einige schwarze Schafe, denn das Geschäft mit trauernden Familien ist lukrativ. Informieren Sie sich gut, bevor sie einen solchen Service in Anspruch nehmen. Eine Recherche im Internet lohnt sich in jedem Fall – oder Nachfrage bei Verbraucherschutz-Organisationen. So können Sie weiteres Ungemach verhindern. (Quelle:aargauerzeitung.ch)